Gedanken > Über meine Malerei


ÜBER MEINE MALEREI

Ich verehre "Ur" und liebe Giotto. So vielen erhabenen Kunstwerken der Vergangenheit, die mir oft wie Wunder erscheinen, stehe ich voll Demut und Bewunderung gegenüber.
Wir in der Mitte dieses Jahrhunderts, wie können wir uns finden, um ein Neues zu beginnen?
Wer will einen der alten Meister herausgreifen und ihn imitieren?
Ich brauche keine Vorbilder, frei bin ich durch mich selbst, bin es geworden durch ununterbrochene Arbeit, die nur den Wechsel von Zeichnen, Malen und Denken kennt. Ich habe die Kräfte erforscht, die in den geheiligten Mitteln des dynamischen Kontrapunktes verborgen liegen. Ich kenne die Klangwirkungen und die Strahlkraft der Farben, und die Kraft der Helldunkel Kontraste erschüttert mich. Das Kalte und das Warme der Farben machen mich trunken. Das Hämmern und Toben der aktiven Elemente, die Ruhe der passiven Mittel, frohlocken in mir. Und das Simultane erregt und beruhigt zugleich. Intensität und Quantität der Farben als Summe, aber vielfach gestuft, in eine Hierarchie einzuordnen, das erfordert tägliche Konzentration, die einem Schachspiele vergleichbar ist. Ich wage die schmetternden Passagen des hohen Zinnobers, und beantworte sie herausfordernd durch lichtes Gelb und fließendes Blau. Die Farbe mit ihrer seelischen Ausdruckskraft ist großartig und vielfältig, ihr Wunderbrunnen ist noch lange nicht ausgeschöpft, und an jedem Tag hat der Maler ihre höchste Vollendung zu erstreben.
Die Aussage des Malers aber ist immer zutiefst an seine Anlage gebunden. Ob diese nun zum Mystischen, zum Philosophischen oder zur Lyrik neigt, er wird immer im rechten Augenblick die entsprechende Farbe und die zu ihr gehörende Form wittern.
Es ist immer die Zeit, die ein geheimes Diktat übt.

Und wir sind Kinder dieses, unseres Jahrhunderts, also Gestalten dieser, unserer Zeit. , Jede Zeit ist gut und schlecht. Es sind schöne Madonnen mit lieblichen Engeln gemalt worden, und direkt daneben sind Menschen gevierteilt, gehängt und verbrannt worden. Die Maler können nur dem guten Pol einer Zeit dienen, indem sie ihn gestalten.
Wie sieht das Gute in unserer Zeit aus ? Wir Maler im Zeitalter der technischen Ratio haben es nicht leicht. Bis wir alle angeborenen, romantisierenden Gefühle überwunden haben, ist ein weiter Weg zu gehen. je eher wir aber erkennen, dass wir der Zeit gerecht werden müssen, um so eher wagen wir den Sprung und lassen die kalte Dusche, die uns Eisenhämmer und Atomenergien bescheren, über uns ergehen.
Die Physiker sind es, die uns das Weltbild unserer Zeit zeigen, dem wir allein verpflichtet sind. Das Herannahen einer neuen Metaphysik auf der Basis einer neuen Physik führe uns und tröste uns zugleich.

Ostern 1952

Max Ackermann



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Letzte Änderung: 20.11.2002 | Copyright: Max-Ackerman-Archiv

 

Zitat

"Ich male, was ich muß!"
Max Ackermann

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